Psychotherapeutisches Angebot

In den folgenden Kapiteln werden die Behandlungselemente im Einzelnen erklärt

Zur Einzeltherapie gehören nicht nur Einzelgespräche, sondern die gesamte sogenannte Einzelfallführung, eine Aufgabe von hoher Verantwortung für Bezugstherapeutinnen und Bezugstherapeuten und das gesamte Behandlungsteam.

Einzelfallführung heißt:

  • das psychosomatische Interview (Erstgespräch) bei dem Bezugstherapeuten / der Bezugstherapeutin
  • Einsichtnahme bzw. Beschaffung aller Vorbefunde
  • Diagnostische Fragebögen und Testdiagnostik
  • die internistische bzw. pädiatrische Anamneseerhebung und Aufnahmeuntersuchung durch die medizinische Abteilung.
  • Visiten durch leitende Ärztinnen und Ärzte sowie leitende Psychologinnen und Psychologen
  • in der Teamkonferenz und Fallbesprechung werden alle verfügbaren Aspekte zusammengetragen, sodass die aktuellen therapeutischen Notwendigkeiten und die sinnvollen Therapieziele jeweils in psychischer, somatischer und psychosozialer Dimension erkennbar werden
  • die Einzeltherapie bei dem Bezugstherapeuten bzw. der Bezugstherapeutin. 

Auch außerhalb der feststehenden Einzeltherapietermine besteht die Möglichkeit für Einzelkontakte mit den Therapeutinnen und Therapeuten.
Die Einzelfallführung begleitet den gesamten Aufenthalt unserer Patientinnen und Patienten, gestützt auf die Therapeuten- und Oberarztvisiten, Chefarztvisiten, Einzelgespräche, Teamkonferenzen, interne und externe Supervision sowie angemessene Dokumentation. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Bezugstherapeutin bzw. der Bezugstherapeut sowie das Behandlungsteam jederzeit den Stand des therapeutischen Prozesses kennen.

Ein erkrankter Patient ist stets auch der als krank wahrgenommene und präsentierte Teil eines Familiensystems. Deshalb sind Paar- und Familiengespräche bei Veränderungen und Reifungsprozessen notwendig, um die Umstände, in denen sich die Symptomatik eines Patienten entwickelt hat, in Bezug auf die Paar- bzw. Familiendynamik zu erkennen und Weiterentwicklung zu fördern.

Eine familientherapeutische bzw. systemische Betrachtung ist auch zum Verständnis der Symptomentwicklung geeignet, wenn die aktuellen familiären Bezüge sich verändert haben.

Familiensitzungen sind auch wichtig, um eine Reintegration nach einer stationären psychotherapeutischen Behandlung in das soziale Umfeld des jeweiligen Patienten zu erleichtern.

Die Bezugsgruppe wird vom Bezugstherapeuten als verhaltenstherapeutische oder psychodynamisch fundierte Gruppe geleitet. Sie beschäftigt sich mit den Beziehungen der Patienten untereinander, zu dem Gruppenleiter bzw. der Bezugstherapeutin und zum therapeutischen Gesamtrahmen. Die Bezugsgruppe gibt den Patientinnen und Patienten einen geschützten Rahmen, die aktuellen Konflikte herauszuarbeiten mit gemeinsamer, vom Bezugstherapeuten strukturierter Lösungssuche. Zudem bietet sie die Möglichkeit, sich im Gruppensetting mit wesentlichen, gesundheitsbezogenen Themen auseinander zu setzen.

Die therapeutische Gesamtgruppe findet einmal pro Woche statt und wird von den leitenden Ärztinnen bzw. Ärzten oder den Leitenden Psychologinnen bzw. Psychologen geleitet. Alle Patientinnen und Patienten nehmen teil. Sie dient der Begrüßung neuer Patienten und der Verabschiedung bei Behandlungsende. Die therapeutische Gesamtgruppe ist der Ort, an dem zur Klärung anstehende Themen des Miteinanders besprochen werden können, seien es Sachthemen oder emotionale Themen.

Traumatische Ereignisse sind häufig und können prinzipiell jeden Menschen treffen.

Traumata sind seelische Extrembelastungen, die auf einem in der Regel einmaligen Ereignis beruhen, beispielsweise Verkehrsunfälle. Bei den Opfern, aber auch bei den Einsatzkräften (Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk oder auch bei militärischen Einsatzkräften) können Situationen entstehen, die mit einem solch intensiven Gefährdungs- und Bedrohungsgefühl verbunden sind, dass die seelische Kapazität nicht ausreicht, sie vollständig zu verarbeiten. Die Betroffenen entwickeln dann sogenannte posttraumatische Belastungsstörungen als Folge der unvollständigen Verarbeitung. Sie können beispielsweise an nichts denken, was an das Trauma Ereignis erinnert, ohne schwere Angst zu bekommen, sie gehen deshalb allen auch nur ähnlichen Situationen aus dem Weg. Die unverarbeitet gebliebenen negativen Emotionen, die mit dem Trauma Ereignis verbunden waren, können unkontrolliert in das Gegenwartserleben eindringen, sei es als sogenannte Flashbacks (Nachhallerinnerungen), als nächtliche Alpträume oder als dauernd erhöhte emotionale Erregung (Hyperarousal). Manchmal versuchen die Betroffenen mit Hilfe von Alkohol, Schlaf-, Beruhigungs- oder Schmerzmedikamenten die Symptome zu bekämpfen, bis hin zu einer Abhängigkeit.  

Kinder und Jugendliche sind in einer ganz besonderen Weise auf Schutz angewiesen, um sich normal und gesund entwickeln zu können. Schwere Verletzungen dieser Schutzbedürfnisse kommen leider sehr häufig vor, sei es in Gestalt von Vernachlässigung, verbaler Aggressivität, körperlicher und/oder sexueller Gewalt. Auch der Verlust von Eltern, schwere Erkrankungen der Eltern oder Vertreibungen können den nötigen Schutzraum so verletzen, dass für die Betroffenen die Situation seelisch unverarbeitbar wird, d. h. ein Trauma ist entstanden. Es kann sich dabei um Einzelereignisse oder (beispielsweise bei Gewalt in der Familie), um eine Vielzahl von traumatischen Ereignissen, ein sogenanntes Trauma-Netzwerk, handeln.

Im späteren Leben haben die Betroffenen entweder ein vages Wissen von solchen negativen Ereignissen und versuchen so wenig wie möglich daran zu denken oder sie wissen vom Verstand her sehr genau, was geschehen ist, können jedoch keine emotionale Verbindung zu den Ereignissen herstellen, weil die Emotionen überwältigend stark wären, so dass die Verarbeitung niemals abgeschlossen werden kann. Auch das Auslöschen ganzer Lebensabschnitte, die dann wie weiße Flecken in der eigenen Biografie wirken, kommt sehr häufig vor.

Mit der Anzahl der traumatischen Erfahrungen steigt die Wahrscheinlichkeit, eine chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und komplexe Störungsbilder, besonders mit emotional instabilen Symptomen und dysfunktionalen Bewältigungsstrategien, zu entwickeln. Die oft lange verdrängten psychischen und körperlichen Funktionseinschränkungen beeinträchtigen die Arbeits- oder Beziehungsfähigkeit zum Teil schwer.

Komplexe Traumafolgestörungen entwickeln besonders Menschen, die

  • häufig mit extremen oder lebensbedrohlichen Ereignissen konfrontiert waren.
  • wiederholten Misshandlungen und gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt waren.

Unser Konzept ist speziell auf diese Problematik ausgerichtet und folgt den Empfehlungen zur stationären Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und den grundsätzlichen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT).

In der Behandlung von Traumafolgestörungen bewähren sich von allen kognitiven verhaltenstherapeutischen Traumatherapieverfahren mit Fokus auf Exposition. In den Kitzberg-Kliniken kommen die folgenden Therapieverfahren zum Einsatz:

  • Cognitive Processing Therapy (CPT) bzw. die Developmentally Adapted Cognitive Processing Therapy for Adolescents (D-CPT) (Entwicklungsangepasste Kognitive Verhaltenstherapie für Jugendliche mit PTBS (E-KVT))
  • Trauma‐fokussierte kognitive Verhaltenstherapie
  • narrative Expositionstherapie (NET und KiD NET)
  • Traumabezogene Spieltherapie
  • Psychodynamische Traumatherapie (Psychodynamisch Imaginative Trauma Therapie PITT und PITT KID)

In der Therapie ist einer der wichtigsten ersten Schritte die sachliche Informationsvermittlung über das Krankheitsbild, damit die Betroffenen nicht glauben müssen, ihre Symptome seien eine Folge von persönlichem Versagen oder Schwäche. Dies ist nicht der Fall.  

Eine stationäre Psychotherapie ist dann sinnvoll, wenn die Symptome sehr ausgeprägt sind und die Fähigkeit zur Alltagsbewältigung schwer beeinträchtigt ist. An die anfängliche Phase der Informationsvermittlung schließt sich dann die 4phasige stationäre Traumatherapie:

In der Stabilisierungsphase investieren die Patientinnen und Patienten viel Arbeit, den Einfluss der negativen entwicklungsbehindernden Muster, die sich in ihrem Leben ausgebreitet haben, zu erkennen und zu begrenzen. Der erste Schritt ist deshalb die Klärung, welche negativen Muster dies sind und in welcher Reihenfolge sie angegangen werden. Es kann sich um selbstverletzendes Verhalten, Formen der Magersucht und Bulimie, süchtiges Verhalten, aber auch chronisches Dissoziieren (Selbstentfremdung), Impulsdurchbrüche, Vermeidungsverhalten, unbehandelte Schlafstörungen aufgrund von Alpträumen handeln. Von größter Wichtigkeit sind die aktiven eigenen Entscheidungen der Patientinnen und Patienten, den Einfluss dieser Negativmuster auf das eigene Leben zu begrenzen und dann zu beenden. Nur aufgrund solcher eindeutiger und aktiver Entscheidungen, ist eine erfolgreiche Therapie möglich. Wir unterstützen diesen Stabilisierungsprozess mit sehr spezialisierten sogenannten Stabilisierungsprotokollen, die den Patientinnen und Patienten helfen, ihre eigene Stabilisierung in kleinen Schritten, von denen jeder einzelne gut geleistet werden kann, zu vollziehen. In manchen Fällen sind auch stabilisierende Medikamente sinnvoll und hilfreich. Grundsätzlich geben wir Medikamente nur in Absprache und Einvernehmen, da alle Behandlungen bei uns grundsätzlich auf freiwilliger Basis stattfinden. In der Stabilisierungsphase kann auch die Beschäftigung mit der sozialen Situation, z. B. der Wohn- und Berufssituation notwendig sein.

Die Ressourcen (Fähigkeiten) sind gleichsam die Inneren Helfer. Allein schon die Entschlossenheit, den Einfluss der Krankheit zu begrenzen und gesund zu werden, ist ein sehr mächtiger Innerer Helfer. Nötig ist systematische Verbesserung des Kontaktes zu den eigenen Fähigkeiten, also Ressourcenorganisation. Auch hierfür ist wieder eine aktive Entscheidung erforderlich, mit den eigenen Fähigkeiten Verbindung aufzunehmen, sie kennenzulernen, zu organisieren und auf das zu lösende Problem hin zu spezialisieren. Wir unterstützen dies im Rahmen der allgemeinen Therapiearbeit, ergänzt durch hochspezialisierte traumatherapeutische Methoden (imaginative Verfahren, Ressourcenverankerung mit EMDR).

Nach einer erfolgreichen Stabilisierungs- und Ressourcenorganisationsphase hat der Leidensdruck unter den unverarbeiteten traumatischen Ereignissen in aller Regel erheblich nachgelassen, d. h. die Patientinnen und Patienten fühlen sich weit weniger belastet, die Symptomatik ist stark zurückgegangen. Der nächste Schritt ist die Auseinandersetzung und Auflösung des unverarbeiteten Traumas (Exposition). Hierbei kommen individuell und nach Alter angepasste Traumatherapie Verfahren zum Einsatz. Schwerpunkt bilden kognitiven verhaltenstherapeutische Traumatherapieverfahren und EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), die nach nationalen und internationalen Leitlinien als Verfahren erster Wahl empfohlen werden.

Der zurückgedrängte Einfluss krankhafter Negativmuster und unverarbeiteter Traumata macht Platz für neue Lebensentwürfe, so dass hier wieder viele sorgfältig zu überdenkende Entscheidungen über die nächsten richtigen Schritte in der eigenen Entwicklung anstehen. In dieser, wie in allen anderen Phasen der Therapie, ist deshalb die Einbeziehung der Familien wichtig, seien es Eltern und Geschwister oder auch Partner und eigene Kinder.

Teil dieser Phase ist auch die Vorbereitung auf die Zeit nach der stationären Behandlung, wie beispielsweise die ambulante Anschlussbehandlung und ggf. Psychotherapie und die Erarbeitung eines Krisenplans zur Rückfallprophylaxe.

Die Erfolge dieser 4phasigen stationären Traumatherapie sind sehr gut, unter anderem deshalb, weil sie sehr systematisch den natürlichen Heilungsprozess organisiert und den Patientinnen und Patienten dadurch die Möglichkeit gibt, ihre Heilungsenergien maximal auf den jeweils nächsten Schritt zu konzentrieren. 

Für unsere Anorexie- und Bulimiepatienten und Patientinnen bieten wir ein in sich geschlossenes und auf die Besonderheiten dieser Essstörungen abgestimmtes Behandlungsprogramm an.

Die einzelnen Module (s.u.) dieses Therapiekonzeptes basieren auf den aktuellen Psychotherapieleitlinien und sind verhaltenstherapeutisch orientiert.

Bei der Entwicklung einer Anorexie oder Bulimie spielen vielfältige Faktoren und Auslösebedingungen eine Rolle.

Essstörung entsteht häufig vor dem Hintergrund eines deutlich gesellschaftlich determinierten Schlankheitsideals in Verbindung mit individuellen Belastungserfahrungen, wie z.B. familiären Konflikten, Kränkungserfahrungen und einem hohen Leistungsdruck.

Im Verlauf entwickeln Essstörungen oftmals eine Eigendynamik und die Betroffenen erleben sich nicht selten in einem Teufelskreis aus Hungern, regelmäßigen Diätversuchen und z.T. auch Kontrollverlusten gefangen.

Um sowohl den auslösenden als auch aufrechterhaltenden Bedingungen einer Essstörung ganzheitlich gerecht zu werden, erfolgt die Behandlung mehrgleisig und berücksichtigt die unterschiedlichen Ebenen der komplexen Gesamtproblematik.

Daraus leiten sich folgende Ziele für den Behandlungsprozess ab:

  • Erarbeitung eines regelmäßigen, ausreichenden und ausgewogenen Basisessverhaltens
  • Gewichtsstabilisierung bzw. Gewichtssteigerung bei Untergewicht
  • Reduktion von Essattacken und Maßnahmen zur Gewichtsregulation (z.B. Erbrechen)
  • Erarbeitung einer verbesserten Emotionsregulation
  • Bearbeitung mit beteiligter Problembereiche (z.B. in Familie, Partnerschaft, Ausbildung und Beruf)
  • Generalisierung der erarbeiteten Kompetenzen ins häusliche Umfeld/ Planung der Nachsorge.

Das Behandlungsprogramm umfasst folgende Angebote:

  • Anorexie/Bulimie Gesprächsgruppe
  • Körpererfahrung
  • Gestufte körperliche Aktivierung.
  • Die nachfolgenden Module gewährleisten ein systematisches Ernährungsmanagement. Zugrunde liegen Erfahrungen, dass die direkte Veränderung des Essverhaltens häufig einer der schwierigsten Schritte ist.
  • Erstellen strukturierter Esspläne
  • Essprotokollbesprechung
  • Angeleitetes Essen, Kochen
  • Ruhephase im Anschluss an die Mahlzeiten.

Eine Voraussetzung für die erfolgreiche Teilnahme an unserem Essstörungsprogramm ist, dass wir mit jeder Patientin und Patienten im Vorfeld eine Therapievereinbarung bzw. einen Gewichtsvertrag (im Falle von Untergewicht) verbindlich abstimmen und beschließen.

Der für eine Behandlung in unserer Klinik notwendige Mindest-BMI liegt bei 13.

Speziell für Patientinnen und Patienten mit einer Anorexia nervosa bieten wir Vorgespräche an zur Aufklärung über unser Behandlungskonzept sowie zur Klärung der Motivation und Indikation.